Das Projekt Nahtstelle
Als mich Anfang 2017 der Aufruf des paritätischen Bildungswerks erreichte, ein künstlerisches Projekt für junge geflüchtete Frauen zu konzipieren, war mir und den Frauen vom Verein „Frauen für Frauen e.V.“ sehr schnell klar „Wir wollen das machen“.
Ich entwickelte daraufhin das Projekt „Nahtstelle“.
Mein Anspruch war, den Frauen im Rahmen einer gemeinsamen künstlerischen Zielsetzung den größtmöglichen Raum zur freien Gestaltung und zum Selbstausdruck zu geben. Es sollte nicht um „hohe Nähkunst“ oder einen ausgefeilten künstlerischen Anspruch gehen.
Mit dem Projekt „Nahtstelle“ wollten wir den jungen geflüchteten Frauen dabei helfen – nach teilweise schwersten traumatischen Erfahrungen – wieder neue Lebensfreude zu spüren. Die „Nahtstelle“ sollte den Frauen auf ihrem Weg der Integration in ihr neues Lebensumfeld ein Baustein sein und sie dabei unterstützen, das Gefühl der Perspektivlosigkeit zu durchbrechen, Erfahrungen auszutauschen und neue Freundschaften zu schließen. Wir wollten ihnen die Möglichkeit bieten, sich in einem geschützten, ungestörten Raum frei und kreativ zu entfalten, eigene Stärken und Fähigkeiten zu erkennen und hierdurch das Selbstwertgefühl wieder erstarken zu lassen.
Von April bis August 2017 traf ich mich regelmäßig, einmal wöchentlich mit den Frauen im großen Saal des Vereins „Frauen für Frauen e.V.“ in der Abelstrasse 11. 8 geliehene Nähmaschinen, jede Menge gebrauchte Textilien und diverse Nähzutaten waren unser Arbeitsmaterial.
Waren die Frauen zu Beginn des Projekts noch eher schüchtern und zurückhaltend, so war es doch wunderbar zu beobachten, wie sie sich von Woche zu Woche mehr zutrauten, offener und selbstbewusster wurden und sich sichtlich wohl fühlten in diesen Stunden des kreativen Arbeitens. Die warme und gemütliche Atmosphäre ermöglichte es ihnen zu entspannen und dadurch wieder Zugang zu ihrer inneren Kraft zu finden.
Stand anfangs noch des öfteren die Frage im Raum „Darf ich das sagen?“ oder „Darf ich das zeigen?“, so kamen die Teilnehmerinnen bald jede Woche mit einer Idee für ein neues Werk. Das Bedürfniss, ihren Emotionen und Ansichten Gestalt zu geben war groß. Einige Teilnehmerinnen arbeiteten sogar zuhause an ihren Bildern weiter und entwickelten dabei eine enorme Kreativität.
Wir hatten viel Spaß, haben viel gelacht aber auch über die unterschiedlichsten Themen diskutiert. Ich persönlich habe viel gelernt über die Kulturen der Teilnehmerinnen und konnte auch umgekehrt so manches unserer deutschen Kultur erklären und helfen, Ängste abzubauen.
Ein besonderer Dank gilt auch der Kunstschule Labyrinth und der Stadt Ludwigsburg, die sich als Kooperationspartner des Projektes zu Verfügung stellten.
Die abschließende Ausstellung soll als Brücke zu den Bürgern der Stadt dienen und damit einen wertvollen Beitrag zur Integration leisten.
Ulrike Ehrenberg, Künstlerin/Dozentin an der Kunstschule Labyrinth